Dienstag, 13. September 2016

Heute eine weitere Kostprobe aus "Die Seiten des Lebens":
Theodore näherte sich dem Gebäude mit seiner geschlossenen Türe nur zögernd... Zu seiner Überraschung war auch das Innere dieses Hauses unbewohnt: Bis auf einen ansehnlichen Berg Buchstabenblätter war der Raum vollkommen leer. Der Lichtschein kam aus einem Kellerabgang an der gegenüberliegenden Wand. Durch das in dem feuchten Raum vor sich hin modernde Buchstabenlaub tastete er sich an den Kellerabgang heran. Eine in Fels gehauene Treppe führte steil bergab. 
"Was mag das sein?" Lizzys Frage machte Theodore bewusst, dass sie ihn wieder eingeholt hatte. 
"Mit Sicherheit ein Keller voller Bücher!", antwortete sie sich unmittelbar darauf selbst. "Dieses Licht ist dasselbe, das auch von denjenigen auf dem Bücher-Schiff ausging!" 
"Ganz recht!" 
Theodore betrat die Stufen. Auch sie waren bedeckt mit feuchten, vermodernden Buchstabenblättern und es erforderte seine ganze Aufmerksamkeit, nicht darin auszugleiten. Je tiefer er gelangte, desto intensiver wurde der Duft nach Fäulnis und Tod, der hier von dem Laub ausging, doch desto heller wurde auch das Licht. Die Bücher konnten nicht mehr allzu fern sein. Dann hatte er den Fuß der Treppe erreicht und vor ihm erstreckte sich ein Gang, ähnlich demjenigen, durch den sie zum Schiff gelangt waren. Das zunehmende Leuchten zog Theodore unaufhaltsam vorwärts, auch dann noch, als der Gang sich in mehrere Seitengänge verzweigte. Unbeirrt folgte er dem Licht. 
"Halten Sie an, Mr. Miller!", rief Lizzy schließlich. Mit unglücklichem Gesichtsausdruck stand sie an der Abzweigung. "Ich finde, wir sollten diesem Gang nicht weiter folgen!" 
"Und weshalb nicht? Er führt uns zu weiteren Büchern, wie Sie selbst sagten, und deshalb näher zum Ziel! Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich auch bereits das erste Buch dort vorne!" 
"Ich...weiß auch nicht. Ich habe einfach ein ganz schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Außerdem: haben Sie nicht diesen ekelhaften Geruch bemerkt? Ich bekomme schon fast keine Luft mehr bei diesem Gestank nach Fäulnis!" Schützend hielt Lizzy ihr Halstuch vor Mund und Nase.
Theodore hielt inne. Überrascht blickte er von dem leuchtenden Buchcover ein Stück gangabwärts zurück zu Lizzy. Sie hatte Recht: Der Fäulnisgeruch des allgegenwärtigen Buchstabenlaubs wurde immer intensiver, verdichtete sich zu etwas, das schon fast an Gas erinnerte. Auch ihm fiel das Atmen schwer, er keuchte nicht nur vom raschen Lauf...

...to be continued... in wenigen Tagen und selbstverständlich in voller Länge in: "Die Seiten des Lebens" von Monika Dockter

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