Dienstag, 1. Dezember 2015

Die Kunst der Prokrastination oder "Ironische Selbstbetrachtung"

Ich vermute, jeder kennt sie (nur nicht zwingend unter dieser Bezeichnung), der Großteil der Menschheit praktiziert sie - gelegentlich zumindest - und etliche von uns haben es darin zu wahrer Kunstfertigkeit gebracht. So wie ich.
"Prokrastination" - laut Duden: Verschieben/Aufschieben von anstehenden Aufgaben/Tätigkeiten. Anders ausgedrückt heißt prokrastinieren: ich schiebe etwas auf die lange Bank. Ein Beispiel: Ich erhalte einen Brief von meiner Krankenkasse, der mich zu einer mir altersmäßig zustehenden Vorsorgeuntersuchung auffordert. Kein Problem. Ich öffne den Brief, werfe einen Blick hinein und "schiebe" ihn zuunterst in den Stapel geöffneter Briefe.
Ich sollte jemanden anrufen, um einen Termin zu bestätigen, eine geplanten Termin abzusagen oder Ähnliches? Kein Problem. Ich schreibe einen Zettel, um mich selbst daran zu erinnern und schiebe den Zettel hinüber auf besagten Briefstapel. Jetzt liegt er direkt über dem Brief von der Krankenkasse und harrt der Dinge, die da kommen...
Aber das ist ja wahrhaftig noch keine "Kunst" der Prokrastination. Hier handelt es sich samt und sonders um Unangenehmes, um ungeliebte Tätigkeiten, die ich leichten Herzens aufschiebe. Zur Kunst wird mein Prokrastinieren erst, wenn ich angenehme, geliebte Tätigkeiten aufschiebe. Das Schreiben beispielsweise.
Ich schreibe wirklich ausgesprochen gerne. Es gehört zu meinem Leben wie Lesen, Essen, Schlafen. Tue ich es nicht, werde ich entweder unausgeglichen, grantig oder deprimiert oder alles gleichzeitig. Und dennoch bringe ich es fertig, an meinem Arbeitsplatz zu sitzen, vor mir nichts als die Tastatur und ein leerer Bildschirm, und ich prokrastiniere: e-mails aufrufen (sie könnten ja wichtige Nachrichten des Verlags enthalten), die Verlagsseite überprüfen (wo stehen meine derzeitigen Bücher auf der Beliebtheitsskala), meinen Namen samt Pseudonym googlen um neue Einträge zu entdecken, nachsehen, was sich auf fb tut (Autorenkollegen posten oft wichtige Artikel!) - bald jeder Tag bietet neue Optionen, von Tag zu Tag verlängert sich meine Aufschiebebank und meine Kunstfertigkeit wächst! Ich weiß nicht, ob irgendjemand mich in diesem Bereich toppen kann. Vielleicht sollte ich mal einen diesbezüglichen Weltrekordversuch starten, um wenigstens im Guinness-Buch der Rekorde unsterblichen Ruhm zu erlangen?!?
Aber jetzt mache ich Schluss mit diesem Eigenlob, um etwas zu schreiben, was tatsächlich Sinn macht...