Mittwoch, 6. Mai 2015

Neues aus dem Schreibgarten

Vermessungstechnik im Schreibgarten

Mittlerweile bin ich mir also im Klaren über die Art der Geschichte, die mein Garten/Buch erzählen soll sowie über den Ist-Zustand desselben und begebe mich ans Vermessen meines Grundstücks. Ich messe den Abstand meiner Hausmauer zur Straße, bestimme die genaue Position des Baumes mit dem Spielhaus, das unbedingt erhalten bleiben muss und stelle fest, wie weit die Grenze zum Nachbargrundstück von meiner schon vorhandenen Terasse entfernt ist. Idealerweise zeichne ich all das auch maßstabsgetreu auf Millimeterpapier in einen Lageplan.
Im Blick auf das Schreiben scheint diese exakte Positionierung der einen bisher vorhandenen Szene, die ich vielleicht schon vor langer Zeit verfasst habe oder an der mein Herz aus nostalgischen Gründen hängt wie an dem alten Apfelbaum mit Spielhaus, vielleicht übertrieben, dennoch halte ich sie für wichtig: Diese eine Szene kann das Ausgangselement meiner gesamten weiteren Planung sein!
Ich stelle mich unter den Baum, blicke zum Haus bzw. zur Straße und überlege, auf welchem Weg ich von dort nach hier gelangen möchte, ob ich über weichen, federnden Rasen schreiten oder mich mittels ein paar Trittsteinen durch dicht gepflanzte Rhododendren- und Hortensienbüsche schlagen möchte. Dann drehe ich mich in die andere Richtung, zur hinteren Grundstücksgrenze, und plane, was jetzt konsequenterweise auf Haus - Rasenfläche - Baum mit Spielhaus folgen könnte: Die Rhododendren mit einem halb verborgenen Sitzplatz in ihrer Mitte, ein blühendes, in vornehmem Weiß gehaltenes Staudenbeet, oder - bei entsprechend vielen Quadratmetern - ein bäuerlicher Obstgarten?
Übersetzt für einen vielleicht noch unerfahrenen Schreibgartenanfänger heißt das: Ich plane/plotte meine Handlung genau von der einen, wichtigen Szene aus, frage mich, was muss ihr vorausgehen, damit ich den Leser auf nachvollziehbare Weise vom Anfang des Buches aus hierher transportiere, und was sind die fantastievollen und doch logischen Konsequenzen daraus, um Protagonisten und Leser zu einem ganz bestimmten Ende zu bringen?!?
Ein Ende nämlich ist ebenso unvermeidlich wie der hintere Gartenzaun oder die Hecke zum Nachbarn, und ich sollte mir dieser meiner Grenzen schon während der Planung bewusst sein. Bei einer Entfernung von 12 Metern zwischen Haus und Nachbargrundstück sollte ich ebenso wenig eine Parkanlage planen wie eine mehrere tausend Seiten starke Trilogie bei einer täglich verfügbaren "Schreib-Zeit" von einer Stunde. Es sei denn, ich bin a)ein absolutes Genie mit einer äußerst arbeitswilligen Lektorin im Hintergrund oder b)zwanzig Jahre alt und möchte im Lauf meines Lebens nur dieses eine Werk veröffentlichen!
Fazit für heute ist deshalb: Grundstücksvermessung tut not - ich kenne meine Grenzen und orientiere mein Werk an denselben sowie an dem alten Apfelbaum mitten im Garten, an den ich mein Herz gehängt habe!